Caterham Deutschland Chef Kurt Hoffmann: Viele haben mich für verrückt erklärt

„Simplify, then add lightness“, so lautet eines der Zitate von Colin Chapman, Gründer von Lotus und legendärer Leichtbau-Pionier. Das Zitat könnte so wohl auch der Slogan von Caterham sein, jener Sportwagen-Manufaktur, die seit 1974 das Konzept des superleichten Lotus Seven weiterverfolgt. Einer, der leichtgewichtigen Sportwagen im Allgemeinen und Caterham-Sportwagen im Speziellen verfallen ist, ist Kurt Hoffmann, Gründer und Geschäftsführer der Caterham Deutschland GmbH. Um mehr über Caterham zu erfahren, ist der Mann also genau der Richtige.

Bei leichtem Schneeregen rolle ich durch eine Art Industriegebiet in Dierdorf in der Nähe von Neuwied, eine Stunde Autofahrt östlich des Nürburgrings. Hier irgendwo hat die Caterham Deutschland GmbH ihren Sitz. Oder habe ich mich doch verfahren. Bei der grauen Suppe kann ich es nicht ganz ausschließen. Doch plötzlich fallen mir ein paar geparkte Land Rover auf. Vielleicht etwas schwerer als ein Caterham, aber immerhin ziemlich britisch. Und in der Tat: Gleich dahinter ein Autohaus, über dem kaum übersehbar ein Caterham-Deutschland-Schild prangt. Ganz so verkehrt kann ich also nicht sein. Also Auto geparkt und direkt rein, in die gute Stube.

Caterham-Deutschland-Kurt-Hoffmann
Kurt Hoffmann

Weil der Chef noch in einem wichtigen Termin festhängt, habe ich Gelegenheit, mir mit einer heißen Tasse Kaffee die ausgestellten Caterham im Showroom einmal genauer anschauen zu können. Am Empfang fällt direkt ein rennfertiger Caterham auf: Das Auto von Sohnemann Lars Hoffmann, 2019 Sieger der Caterham Roadsport Championship in der Caterham Academy.

Das Motorsport-Talent scheint in der Familie zu liegen. Wo du hinschaust: Pokale. Später wird mir Kurt Hoffmann erklären, das sei nur die Spitze des Eisbergs. Im Keller lagern noch mehr Trophäen – zusammengesammelt vor allem in den 90er Jahren. Der passionierte Motorsportler fuhr mit Porsche diverse Siege in der GTP Langstreckenmeisterschaft und im Porsche Carrera RS Cup ein.

Kurt Hoffmann sammelte einst Pokale – jetzt Caterhams

Im Showroom stehen sechs Caterham-Modelle – zwischen prächtigen Oldtimern, darunter viele alte Mercedes-Benz. Ein Porsche 997 Rennwagen ist auch dabei. Nicht nur aufgrund ihres speziellen Designs und ihrer Seltenheit ziehen mich allerdings ganz klar die Caterham in ihren Bann. Vor allem vermutlich aufgrund ihrer Kompromisslosigkeit – Komfort wird selbstbewusst klein geschrieben. Die kleinen Engländer haben andere Qualitäten. Und das sieht man ihnen direkt an. Wer Benzin im Blut und eine Schwäche für ein wenig Querdynamik hat, möchte sofort das superenge Cockpit entern und eine Probefahrt machen – bestenfalls auf dem 95 Kilometer entfernten Nürburgring. Irgendwo muss doch hier der Schlüsselschrank sein… Doch bevor ich den Gedanken zuende denken kann, begrüßt mich Kurt Hoffmann.

Caterham Deutschland

Anfangs vielleicht etwas reserviert, taut der Chef von Caterham Deutschland im Laufe des Gespräch doch ziemlich schnell auf. Wir tauchen ein in die ganz persönliche Geschichte von Kurt Hoffmann und seinen Caterhams.

Mit 38 übernimmt Kurt Hoffmann sein erstes Autohaus – eine bestehende Rover-Vertretung in Neuwied. Schon damals entwickelte der ehemalige Porsche-Verkäufer eine Vorliebe für leichte Sportwagen aus englischer Produktion: „Caterham war schon damals ein Hobby von mir“, verrät Kurt Hoffmann. „Ich hatte einen Caterham geleased. Weil er mit einem Rover-Motor ausgestattet war, passte das natürlich.“

Kurz vor der Jahrtausendwende erhielt Kurt Hoffmann ein Angebot, das er nicht abschlagen konnte. „Caterham UK sagte zu mir ‚Wenn du Händler wirst, kannst du den Wagen natürlich auch zum Händler-Einkaufspreis haben‘.“ Und weil man Gelegenheiten am besten am Schopf packen sollte, willigte er ein – einer gewissen Skepsis zum Trotz. Kurt Hoffmann wurde Caterham-Händler. Es sollte die richtige Entscheidung sein.

„Ich habe dann mehr nebenbei so zwei bis drei Caterham pro Jahr verkauft“, erklärt Kurt Hoffmann. Um 2013/2014, Rover war da längst pleite und Kurt Hoffmann verkaufte als Vertragshändler bereits andere Marken, hatte Caterham „eine vernünftige Modellpalette mit allen Papieren für den europäischen Markt.“ Eine gerade für den deutschen Markt überaus positive Entwicklung.

„Wir verkaufen Autos, die keiner braucht“

Wenige Jahre später verkaufte Kurt Hoffmann sein Autohaus in Neuwied und fing in Dierdorf neu an. „Ich wollte weg von der Bühne der markengebundenen Händler. Wir haben uns auf Caterham und auf das Werkstattgeschäft mit Land Rover Modellen und britischen Autos spezialisiert. Viele haben mich für verrückt erklärt. Wir verkaufen schließlich Autos, die eigentlich keiner braucht.“ Und mit einem Schmunzeln im Gesicht ergänzt Kurt Hoffmann: „Schon länger wundert sich der VW-Händler an der Ecke, wie viele Probefahrten wir hier machen“.

Kurt Hoffmann lässt einen Blick über die verschiedenen Caterham in seinem Showroom wandern. „Ein Caterham ist das ideale Freizeit-Auto. Als ich das erste Mal Caterham gefahren bin, habe ich geheult. Wie du mit den Autos an die Grenzen der Physik gehen kannst, ist eine wahre Pracht. Und mich persönlich zieht es immer wieder an die Rennstrecke. Ich habe mit den Autos immer noch so viel Spaß wie am ersten Tag“.

Wir schlendern die Autos ab. Beim Caterham 620 R angekommen, halten wir kurz inne. Mit einer Motorleistung von 310 PS bei rund 600 Kilogramm Gewicht liegt der Brite beim Leistungsgewicht auf Supersportwagen-Niveau. „Der Seven 620 R ist ein Auto für Profis“, warnt Kurt Hoffmann. Und wohl auch mit Blick auf die Avon ZZ-R Semislicks ergänzt er: „Wenn du mit dem jetzt bei dem Wetter fahren würdest, wäre die Chance, heil zurückzukommen 50/50“.

Lars Hoffmann

Es muss aber nicht dieser Über-Caterham sein, um Spaß zu haben. Kurt Hoffmann zeigt auf den nur leicht modifizierten Caterham-Rennwagen seines Sohnes: „Wenn du dir anschaust, wie Lars mit dem 120-PS-Auto auf der Rennstrecke fährt, weißt du: Du brauchst nicht mehr Leistung. Es ist beeindruckend, wie schnell man Auto fahren kann. Würde ich mit einem Porsche 997 GT3 auf einer der kürzeren, kurvenreichen Rennstrecken mit ihm fahren, ich würde nicht hinterherkommen“.

Wie gut, dass man so viel fahrdynamische Performance bereits bei den Straßenmodellen bekommt. Die aktuelle Produkt-Range besteht aus zwei Modellen, dem Caterham Seven 275 und dem Caterham Seven 485. Beide verfolgen das clevere Konzept, wonach weniger eben doch mehr ist und sorgen damit für einen Heidenspaß. Die Konzentration auf das Wesentliche, vor allem aber das Gewicht von nur etwas mehr als 500 Kilogramm machen es möglich. Im Seven 275 leistet der 1,6-Liter-Vierzylinder ganze 137 PS. Nicht viel. Aber ausreichend für eine Beschleunigung von null auf hundert Sachen in 5,0 Sekunden. Und mit einem Leistungsgewicht von 3,65 liegt der Brite in etwa auf BMW-M4-Niveau – der drei Mal so schwer wie ein Caterham ist.

„Echten Fahrspaß kann man nur mit leichten Autos haben“

Der im Sportwagenbau nach wie vor anhaltende Trend immer schwerer werdender „Sportler“, die vermutlich auch nicht zuletzt deshalb immer mehr Motorleistung bekommen, ist Kurt Hoffmann ein Dorn im Auge. „Ich glaube, wir müssen wieder vernünftiger werden. Es müssen nicht immer 500-PS-Autos sein. Echten Fahrspaß kann man nur mit leichten Autos haben“, ist der leidenschaftliche Fahrdynamiker überzeugt.

Oder wie Colin Chapman einst sagte: „Adding power makes you faster on the straights. Subtracting weight makes you faster everywhere.“

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Moritz Nolte liebt seine Heimat NRW über alles: Moritz hat sein Büro im Bochumer Bermuda3Eck. In Dortmund läuft er regelmäßig um den Phoenixsee, in Hattingen fährt er Mountainbike. Zum Fußball geht er auf Schalke und zum Eishockey nach Herne. Auf der Rüttenscheider Straße in Essen gibt es für ihn hin und wieder ein Bier oder einen Gin Tonic. Zum Shoppen geht´s nach Düsseldorf und Freunde besucht er häufig in Köln. Und wenn er mal nicht in der Metropolregion Rhein-Ruhr unterwegs ist, ist Moritz leidenschaftlicher Sportwagen- und Trackday-Fahrer, Automotive-Autor und Herausgeber von THE DRIVER.